Themar

Zeitzeugenbericht

Erhard Stapf, Themar

 

Zur Monatswende März – April 1945 wurde auch Themar unmittelbares Kriegsgebiet. Die Amerikaner hatten das Werratal erreicht und zogen ohne nennenswerte Behinderung werraaufwärts bis Vachdorf. Kleinere Verbände sicherten die Straßen nach Themar zu, der Hauptteil aber stieß über Marisfeld, Oberstadt, Grub, Eichenberg nach Lengfeld und machte hier Halt und beobachtete in Richtung Themar. Die Amerikaner hielten die Stadt wegen der auf ihren Karten angegebenen Mauern für eine Festung, zögerten mit der Eroberung und Besetzung und belegten sie mit Einschüchterungsschüssen der Artillerie. Die Telefonleitung von Themar nach Vachdorf war noch intakt, so dass die Befehlsstelle der Wehrmacht im hiesigen Rathaus mit dem Bürgermeister von Vachdorf über die augenblickliche Situation sprechen konnte.

Der in Themar gebildete Volkssturm war dem Restteil der Wehrmacht unterstellt, er errichtete an den Ortsausgängen Sperren und beobachtete die Straße sowie die Umgehung der Stadt. Sprenglöcher wurden an der Werra-Betonbrücke zur Obermühle, an der „Eisernen Brücke“ zur Vorstadt und am Nadelöhr bei Henfstädt angelegt. Die Felsenkeller an der Römhilder Straße dienten als Luftschutzräume. Die Befehlsstelle in der Stadt war zum Widerstand entschlossen, aufbegehrenden Personen wurden mit Verhaftung gedroht. Großes Unheil wäre über die Stadt gekommen, wenn eine Einheit der SS in der Stadt gewesen wäre, die befehlsmäßig die Orte fanatisch verteidigte.

In diesen unheilvollen Tagen fassten einige mutige Männer des Volkssturms im Hinblick auf die nahenden Gefahren den Entschluss, die Heimatstadt vor der Zerstörung, soweit es möglich war, zu bewahren. Weitere Angehörige des Volkssturms verweigerten den Befehl zum Einsatz, folgten aber widerstrebend und „setzten sich bei gegebener Gelegenheit ab“. Auf Schleichwegen durch den Wald des Feldsteins und über freies Feld unter Einsatz des Lebens wurde in dem besetzten Lengfeld mit der dort befindlichen amerikanischen Kommandostelle Verbindung aufgenommen. Es wurde aufgeklärt, dass Themar eine ‚offene Stadt’ sei und der Volkssturm nur über eine mangelhafte Ausrüstung verfüge. Die schon angeforderte stärkere Kampfgruppe von Bombern konnte umgeleitet und somit die Stadt vor größeren Zerstörungen bewahrt werden.

Die Amerikaner traten mit einigen Artilleriesalven zur Eroberung und Besetzung der Stadt an, was am 6. und 7. April 1945 geschah. Weiße Fahnen auf dem Rathaus- und Kirchturm und an den Häusern zeigten die Übergabe an. Einige Gebäudeschäden ließen sich nicht vermeiden. Die „Neue Schule“ und einzelne Wohn- und Fabrikgebäude wurden zerstört. Rückzugsplänkeleien am Iltenberg richteten nichts mehr aus. Die Werratalstraße nach Vachdorf war wieder frei.

Die bisher im Rathaus kommandierende Befehlsstelle der Wehrmacht und der Nazipartei hatte sich „planmäßig“ südwärts abgesetzt. Zwei vorherige Angriffe durch Jagdbomber auf die ‚Obere Mühle’ und auf das Bahnhofsgelände forderten zwei Todesopfer. Bei den Kampfhandlungen um Themar mussten 7 Einwohner der Stadt und 7 Wehrmachtsangehörige ihr Leben lassen.

Der Volkssturm löste sich sehr schnell auf, die Bewohner der Stadt fanden sich erleichtert wieder zu Hause ein, die Fensterverdunklungen wurden entfernt.

Die beabsichtigten Sprengungen der oberen Werrabrücke und am Nadelöhr konnten verhindert werden, leider kam die Sprengladung an der „Eisernen Brücke“ zur Wirkung und zerstörte das aus dem vorigen Jahrhundert stammende Bauwerk. Sehr schnell wurde in der Nähe des Hexenturms eine Notbrücke errichtet, um wieder eine Verbindung zur Vorstadt herzustellen. Nach 5 Tagen „Kampf um Themar“ mit all seinen Geschehnissen konnten die Einwohner wieder aufatmen. Für Themar war der 2. Weltkrieg mit all seinen Schrecken zu Ende.

 

Nach Erhard Stapf in:
– Stadtbote. – 23.04.1993;
– Salier, Hans-Jürgen [unter Mitarbeit von Ralf Kammerdiener]: Themar – 700 Jahre Stadt. 1303 bis 2003 Geschichte in Daten – Verlag Frankenschwelle KG Hildburghausen, 2003